Mein Selbstverständnis als intersektional arbeitender politischer Bildner
Als Demokratiebildner verstehe ich mich als Lernender, der gemeinsam mit den Teilnehmer*innen neue Perspektiven erkundet. Ich stelle einen Rahmen zur Verfügung, der an den Bedürfnissen der Teilnehmer*innen orientiert ist und gemeinsames Arbeiten und Lernen ermöglicht.
Je nach Auftrag und Konzeption des Bildungsformats übernehme ich unterschiedliche Rollen: Ich moderiere, gebe thematische Impulse, beteilige mich an kontroversen Diskussionen oder unterstütze emotional. Bei der Rollenwahl stehen Motivation und der Lernerfolg der Teilnehmer*innen stets an erster Stelle.
Normative Orientierung
Politische Bildung und Demokratiebildung finden niemals im wertfreien Raum statt. Sie sind immer an bestimmte Werte gebunden. Meine Bildungsangebote orientieren sich konsequent an den Grundwerten der Menschenrechte und Demokratie. Dieses Wertegerüst ist durch nationale und internationale verbindliche gesetzliche Rahmen vorgegeben und bilden die Grundlage meiner Arbeit.
Verstöße gegen diese normativen Prinzipien während meiner Bildungsangebote toleriere ich nicht. Rassistische, antisemitische, nationalistische, LGBTIQ-feindliche, antiziganistische oder andere menschenverachtende Äußerungen oder Handlungen werden in meinen Veranstaltungen daher nicht akzeptiert.
Ich reagiere in jedem Fall unmittelbar, klar und angemessen, wenn solche Vorfälle auftreten. Sollte das Verhalten trotz meiner Intervention nicht eingestellt werden, führt dies zum Ausschluss der betreffenden Person(en) aus der Veranstaltung.
Unterschiedliche Meinungen und politische Kontroversen sind dagegen nicht nur willkommen, sondern eines der zentralen Grundvoraussetzungen für meine Bildungsarbeit. Diese müssen jedoch zu jeder Zeit im Rahmen der Werte von Menschenrechten und Demokratie ausgetragen werden.
Ein diskriminierungsfreier Umgang miteinander ist für meine Kurse zudem eine Grundlage, die ich kontinuierlich nach dem Ansatz der Mehrfachdiskriminierung bzw. Intersektionalität überprüfe. Ich arbeite daher
- mit einem Awareness-Team zusammen
- bringe die Bedarfe und Bedürfnisse meiner Teilnehmenden vorab und während des Bildungsangebots in Erfahrung
- achte auf einen barrierearmen und in jeder Hinsicht unterstützenden Raum
- und sorge für Rückzugs- und Empowermenträume.
- Ich konzipiere und setze meine Angebote so um, dass mehrfach diskriminierte Kolleg*innen ihre Expertise vorrangig einbringen können und
- achte auf einen kritischen Umgang und Auswahl der Wissensquellen des Bildungsangebots.
Bei ausreichend finanzieller Abdeckung, die ich im Rahmen von geförderten Veranstaltungen stets versuche zu garantieren,
- biete ich während meiner Veranstaltungen Kinderbetreuung an und
- bezuschusse oder übernehme vollständig Fahrtkosten für An- und Rückfahrt.
Meine Bildungsangebote sollen auch sprachlich durch möglichst geringe Barrieren geprägt sein. So finden diese zwar in der Regel in deutscher Lautsprache statt.
- Je nach Umfang und Vorbereitungszeit kann ich aber Veranstaltungen auch auf Englisch anbieten.
- Zudem sind Übersetzungen während der Veranstaltung in Französisch und in brasilianischem Portugiesisch in gewissem Umfang möglich.
- In jedem Falle frage ich sprachliche Bedarfe vorab ab und organisiere Übersetzungsmöglichkeiten auch und vor allem in den Erstsprachen der Teilnehmenden für den gesamten Ablauf der Veranstaltung.
Die folgenden Ausführungen zum Ansatz der Intersektionalität in der politischen Bildung dienen der Erläuterung meines eigenen Anspruchs. Des Weiteren wird das Potenzial für die Qualitätserhöhung politischer Bildung durch Intersektionalität herausgearbeitet.
Intersektionale politische Bildung
Intersektionalität als Maßstab meiner Bildungsangebote
Als politischer Bildner, der sich der Demokratie und den Menschenrechten nicht nur verpflichtet fühlt, sondern diese auch zum Inhalt meiner Angebote macht, ist es zwingend notwendig, gesellschaftliche Ungleichheiten und Diskriminierungen in den Fokus zu stellen. Als jemand, der den Anspruch hat, Teilnehmer:innen zu kritischem Denken und politischer Mündigkeit zu befähigen, folgt außerdem zwingend, dass die Beschäftigung mit gesellschaftlicher Ungleichheit, Diskriminierung und Formen gruppenbezogener Menschenfeindlichkeit die eigene Identität und die eigene Bildungspraxis verändern und prägen muss.
In der aktuellen Forschung, aber auch in der gesellschaftspolitischen Praxis, zeigt sich zunehmend, dass intersektionale Theorien und intersektional angelegte politische Projekte die vormals getrennten Theorien und Kämpfe zusammenführen (wollen). Damit kann politische Bildung einerseits den marginalisiertesten Gruppen innerhalb der von Diskriminierung Betroffenen gerecht werden. Der intersektionale Ansatz ermöglicht es dabei auch, die identitätsbildenden Merkmale der Teilnehmenden zu berücksichtigen. Und zum anderen kann politische Bildung Kraft und Erkenntnisse aus der Vielfalt der Stimmen und Erfahrungen ziehen, die durch intersektionale Öffnungsprozesse gehört und wertgeschätzt werden.
Womit beschäftigt sich intersektionale politische Bildung?
Intersektionale politische Bildung analysiert mehrdimensionale Diskriminierungserfahrungen wie Queerfeindlichkeit, Ableismus, Antisemitismus, Adultismus, Rassismus, Sexismus, Xenophobie, Geflüchtetenfeindlichkeit und Klassismus. Sie entwickelt Handlungsoptionen für soziale Veränderungen zur Verbesserung der Lebenslagen mehrfach Diskriminierter. Denn verschiedene Diskriminierungsformen führen zu erheblichen Belastungen. Dazu gehören geringere politische Teilhabe, weniger Zugang zu Ressourcen, eingeschränkte Bildungschancen, eine reduzierte Gesundheitsversorgung und verminderte berufliche Perspektiven (Laura Schrader, (un)Sichtbar - BIPoC Initiative, 2022). Eine intersektionale politische Bildung muss sich mit der Verwobenheit von Identitätsmerkmalen befassen, um die Komplexität sozialer Ungerechtigkeit zu verstehen (Schrader, 2022).
Dichotomische Denkweisen, wie „Wir“ und „die Anderen“, werden mit dem intersektonalen Ansatz überwunden. Dies erfolgt auch durch die kritische Reflexion kolonial geprägten Wissens (Piesche et al., 2022). Intersektionalität ermöglicht es schließlich, gesellschaftliche Machtungleichgewichte sichtbar zu machen und zu bekämpfen, indem sie mehrdimensionale Lebensrealitäten marginalisierter Gruppen berücksichtigt (Piesche, Schmidt, Rajanayagam, & Etzel, 2022).
Welche Gestaltungsmerkmale prägen intersektional ausgerichtete politische Bildung konkret?
Die folgenden Merkmale sind für mein Verständnis einer intersektional ausgerichteten politischen Bildung wesentlich:
1. Die Schaffung von Reflexionsräumen, in denen kollektive Geschichten plural erzählt werden können (Piesche et al., 2022). Denn Reflexionsfähigkeit und Dialogbereitschaft sollten gefördert werden, um Hierarchien und Internalisierungen kritisch zu hinterfragen (Bordo Benavides, 2022).
2. Die Frage nach Vulnerabilisierung rückt als Kernaufgabe und Maßstab intersektionaler Konzepte in den Mittelpunkt politischer Bildung (Maisha M. Auma, 2022).
3. Empowerment ist zentral, da durch Empowermentprozesse Menschen Selbstwirksamkeitserfahrungen ermöglicht werden, besonders für mehrfach marginalisierte Gruppen (Auma, 2022). Empowernde Räume und Rückzugsorte zu schaffen, ist daher ein wichtiges Ziel politischer Bildungsangebote. Marginalisierte Gruppen erfahren dort auch Möglichkeiten der Reflexion und Heilung (Gladt e.V., 2022).
4. Erfahrungswissen und gelebtes Wissen marginalisierter Communities müssen Wertschätzung finden.
5. Politische Bildner*innen müssen die Fähigkeit entwickeln, Komplexität und Widersprüchlichkeit aushalten zu können. Sie sollten bereit sein, gesellschaftliche Ungleichheiten in ihrer Vielschichtigkeit zu betrachten (xart Splitta e.V., 2022; Kotan, 2022, S. 10).
6. Des Weiteren ist es erforderlich, dass politische Bildner:innen sich mit fragilen Räumen auseinandersetzen, in denen Unsicherheit und Diskurse über Machtverhältnisse Teil des Lernprozesses sind (Piesche et al., 2022; Bordo Benavides, 2022).
7. Darüber hinaus sollten Bildungsinstitutionen strukturell und personell so gestaltet sein, dass sie eine plurale Gesellschaft widerspiegeln. Insbesondere durch Diversität in den Teams und die Ansprache der marginalisiertesten Gruppen kann dies erreicht werden (Piesche et al., 2022; Auma, 2022).
Wie setze ich intersektionale politische Bildung um?
Um intersektionale politische Bildung umzusetzen, muss eine Vielzahl von Herausforderungen gleichzeitig bearbeitet werden. Aufgrund begrenzter Ressourcen, insbesondere Wissen und materiellen Ressourcen, wird ein vollständig kohärentes intersektionales Bildungsangebot eine Utopie bleiben. Dies gilt umso mehr, als dass sich gesellschaftspolitische Strukturen und Narrative im ständigen Wandel befinden. Die Anforderungen an intersektionale politische Bildung sind nicht immer eindeutig zu klären, da sie Gegenstand einer öffentlichen Debatte sind, die sich aus vielfältigen, teils widersprüchlichen Erfahrungen und Wissensbeständen speist. Gleichwohl ist diese Utopie immer auch Ansporn und Maßstab.
Wenn ich im Folgenden die praktischen Elemente als Maßstab meiner intersektionalen Ausrichtung skizziere, sind diese also nicht im Sinne eines abschließenden und objektiven wissenschaftlich zusammengetragenen Wissens zu verstehen, sondern als Ausgangspunkt für meinen eigenen Entwicklungsprozess:
- 1. Bewusstsein für Privilegien und Machtverhältnisse entwickeln: (hochgradig) privilegierte Bildner:innen wie ich sollten ihre eigene Position und die damit verbundenen Machtstrukturen reflektieren, insbesondere das Gefälle zwischen sich und den Teilnehmenden (Bordo Benavides, 2022; Kotan, 2022, S. 12).
- 2. Wissen kritisch hinterfragen: ich reflektiere kritisch, auf welche Wissensquellen ich mich stütze und wie diese validiert wurden (Piesche et al., 2022; Kotan, 2022, S. 12).
- 3. In machtkritischen intergenerationellen Räumen positionieren sich die Beteiligten als Expert:innen ihrer selbst, ohne bewertet zu werden. In diesen Räumen gibt es Platz für Dissens und Konflikte, sodass ein angemessener machtkritischer Umgang wichtig wird (RAA Berlin, Olenka Bordo Benavides). Für mich gilt es entsprechend, einen machtkritischen Umgang mit Dissensen zum Umgang mit Expertise zu fördern.
- 4. Komplexität aushalten: als politischer Bildner bin ich bereit, Widersprüche und Mehrschichtigkeit sozialer Ungleichheit anzuerkennen und integriere diese in meiner Bildungsarbeit (xart Splitta e.V., 2022; Kotan, 2022, S. 10)
- 5. Flexibilität und Offenheit zeigen: als politische Bildner bin ich bereit, meine Methoden und Inhalte an die Bedürfnisse der Teilnehmenden anzupassen (Piesche et al., 2022).
- 6. Methodische Vielfalt ist essenziell: Dieser kann u.a. durch Storytelling, Performance-Kunst und Erinnerungsarbeit nachgegangen werden (Piesche et al., 2022). Auch hier orientiere ich mich an den Erfahrungen und Bedürfnissen meiner Teilnehmenden.
- 7. Praktische Barrieren wie fehlende Verdolmetschung, mangelnde Barrierefreiheit oder die Auswahl der Veranstaltungsorte dürfen nicht zu Ausschlüssen führen. Angebote sollten bedürfnisorientiert dorthin gebracht werden, wo es vorher keine gab (Piesche et al., 2022; MEGA – Netzwerk für Asiatische-Deutsche Perspektiven e.V., 2022). Wichtige intersektionale Aspekte, die ich bei meinen Angeboten beachte, sind
- die Ankündigung in verschiedenen Sprachen
- die Ermittlung des Übersetzungsbedarfs in andere Muttersprachen sowie die Berücksichtigung einfacher Sprache und Gebärdensprache
- Zudem bezuschusse ich Fahrtkosten oder übernehme diese vollständig
- organisiere gemeinsame Anreisen und Shuttle-Services von Sammelstellen wie Bahnhöfen zum Veranstaltungsort.
- Für die Veranstaltungsorte achte ich auf All-gender-Toiletten und allgemeine Barrierefreiheit sowie
- auf eine Verpflegung, die Lebensmittelunverträglichkeiten, religiöse Ernährungsregeln und individuelle Ernährungsentscheidungen berücksichtigt.
- Darüber hinaus stelle ich ein Betreuungsangebot und Rückzugsräume zur Verfügung sowie ein Awareness-Team, das vor Ort ist.
- Ein Brave Space wird geschaffen, in dem alle Teilnehmenden angehalten sind, Verantwortung füreinander zu übernehmen und aufeinander zu achten (Projektteam “MEGA – Netzwerk für Asiatische-Deutsche Perspektiven e.V.“, 2022).
Schließlich sollten politische Bildner:innen marginalisierten Gruppen praktische Handlungsoptionen aufzeigen, ohne diese zu bevormunden (Gladt e.V., 2022). Hierfür sind die Konzepte des Empowerments und Powersharings zielführend.
Powersharing und Empowersharing
Intersektional ist politische Bildung also dann, wenn die genannten Reflexionsprozesse in Bezug auf eigene privilegierte Positionierungen, ein kritischer Umgang mit Wissensnutzung und Wissens(re)produktion, die Etablierung von Empowermentangeboten, die Gestaltung eines inklusiven bedürfnisorientierten Bildungsangebots und eine ständige methodische Anpassung an die Bildungsteilnehmenden gewährleistet werden.
Allerdings fehlt in dieser Aufzählung ein weiterer entscheidener Schritt: die selbstkritische Frage nach der Machtverteilung. Dabei sollte nicht bei einer kritischen Reflexion stehen geblieben, sondern konkret Macht geteilt und umverteilt werden. Denn nur so kann verhindert werden, dass eine (unbewusste) Aneignung und Ausbeutung der Wissensbestände und Erfahrungen mehrfach diskriminierter Personen stattfindet. Zu häufig machen diese die Erfahrung, die Patu in einem Comic-Beitrag anhand von mehrfach diskriminierten Teilnehmenden des Netzwerktreffens zum Bildungssymposium Politische Bildung Intersektional in Erfurt 2021) wie folgt beschrieb:
“We are seen as raw material, not as an equal part.” (Sprechblase Seite 31, Patu, 2022)
“Learning does not mean you take the knowledge and make money out of it.” (ebd.)
Um diesem Anspruch gerecht zu werden, orientiere ich mich an den Konzepten des Powersharings und Empowersharings von Halil Can (Halil Can, vergleichend zitiert nach Laura Schrader, 2025).
Powersharing
Powersharing als Handlungskonzept richtet sich demnach an alle, die strukturell privilegiert sind und ein politisches Interesse daran haben, diskriminierende Strukturen zu verändern. Dabei geht es im Kern um die gerechte Verteilung von Macht, Zugänge zu Kapitalien zu ermöglichen und bessere Lebens- und Beteiligungschancen zu schaffen. Leitend ist dabei die Frage: wie und wo kann ich meine Haltung und mein Handeln verändern, um mich für eine gerechte Gesellschaft einzusetzen?
Powersharing ist eine soziale und ökonomische Praxis, die sowohl auf Reflexions- als auch auf Handlungsebene umgesetzt werden kann. Sie ist eine solidarische Handlung von privilegierten Personen/Gruppen, die sich für die Öffnung und Umverteilung von Ressourcen engagieren und ihre Privilegien dabei so einsetzen, dass vermeintliche „Natürlichkeiten“ verändert werden. Sie bedeutet, dass Privilegierte (Machtstarke) ihre Kapitalien nutzen, um Deprivilegierte (Machtschwache) zu unterstützen, aktiv und bewusst eine (Umver-) Teilung von Kapitalien von oben nach unten praktizieren. Dabei kann jede Person kann in einer machtschwachen und einer machtstarken Position sein, wobei die Dominanzpositionen die Bestimmenden bleiben (z. B. weiß-, deutsch, cis-männlich, hetero, christlich, etc.).
Essentiell ist, dass das Abgeben von Macht und Kapitalien an deprivilegierte Personen mit Verzicht einhergeht, ohne entsprechende Gegenleistung.
Nach Natascha Anahita Nassir-Shahnian geht es beim Powersharing auch um eine Übertragung der Verantwortung auf Privilegierte:
„[…] Oft liegt die Belastung der emotionalen Schwergewichtsarbeit insbesondere bei denen, die selbst Ausschlüsse und Diskriminierungen erfahren. Sie arbeiten sich täglich durch eine dicke Schicht von Privilegien und Ignoranz, die über Jahrhunderte durch weiße kulturelle Hegemonie* hergestellt wurde. Die Perspektive des Powersharing verschiebt diese Verantwortlichkeiten.“ (Natascha Anahita Nassir-Shahnian)
Empowersharing
Aus der Zusammenführung der Konzepte des Empowerments und des Powersharings entwickelt Can schließlich das EMPOWERSHARING. Empowerment und Powersharing sind demnach komplementäre Prozesse, die als zusammengedachter Prozess zu einer inklusiven und solidarischen Gesellschaft beitragen können. Durch die Verbindung von Empowerment und Powersharing wird nicht nur die Selbstermächtigung von Betroffenen gefördert, sondern auch die Verantwortung privilegierter Positionen innerhalb von Gruppen betont, Machtstrukturen zu hinterfragen und aktiv zu verändern.
Beim Empowersharing handelt es sich um einen ganzheitlichen Ansatz, der soziale Gerechtigkeit und ökologische Verantwortung miteinander verbindet. Empowersharing meint kollektive Selbstermächtigung und bewusste (Um-)Verteilung von Macht und Ressourcen durch privilegierte Akteur*innen (Halil Can, vergleichend zitiert nach Laura Schrader, 2025).
Praktisch relevant als Formen des Empowersharings ist für mich zum einen die Einbindung marginalisierter Communities in die Planung und Durchführung von Bildungsarbeit (Tanyılmaz et al., 2022; MEGA – Netzwerk für Asiatische-Deutsche Perspektiven e.V., 2022). Um systemische Barrieren zu überwinden, die Teilhabe einschränken, teile ich zum anderen mein Wissen und meine Mittel mit diesen Communities u.a. bei der Suche nach Vernetzungsmöglichkeiten mit anderen, bei der Einrichtung nach Empowerment-Räumen sowie bei praktischer Wissensteilung etwa in Bezug auf die Anmeldung von Demonstrationen (Laura Schrader, (un)Sichtbar - BIPoC Initiative, 2022) oder bezüglich anderer Formen der politischen Beteiligung.
Intersektionalität als Qualitätsmerkmal politischer Bildung
Mit Blick auf die Ziele und didaktische Prinzipien, die für qualitativ gute politische Bildung maßgeblich sind, lassen sich Aspekte des intersektionalen Ansatzes benennen, die sich mit den für politische Bildung ohnehin geltenden Qualitätsmerkmalen verbinden lassen. Sie erhöhen die Chancen nachhaltigen demokratischen Kompetenzerwerbs nach meiner Überzeugung insbesondere durch folgende Merkmale:
Zum einen erleben mehrfach Diskriminierte in intersektional ausgerichteten Bildungsangeboten persönliche Stärkung. Beispielhaft dafür steht die Rückmeldung einer Teilnehmerin eines Workshops für Schwarze, Indigene und Of-Color-LSBTIQ*-Personen beim Netzwerktreffens zum Bildungssymposium Politische Bildung Intersektional in Erfurt 2021, das von queeren Rassismusbetroffenen geleitet wurde. Darin hebt sie ihren Wissenszuwachs in Bezug auf Machtstrukturen und Diskriminierungsformen hervor. Sie beschreibt die Erfahrung von Respekt gegenüber einzelnen Lebensrealitäten, die würdigende Anerkennung des erlittenen Schmerzes und die Heilende Wirkung von Wertschätzung. Des Weiteren benennt sie eine gespürte Solidarität der Gruppe und dass ihr Stärke und Inspiration vermittelt wurden, um mit ihrer feindlichen Umwelt besser zurechtzukommen (Laura Schrader, (un)Sichtbar - BIPoC Initiative, 2022).
Zum anderen hat intersektionale politische Bildung das Potenzial der Förderung bestimmter demokratischer Kompetenzen. So erhöht die Erschließung von Lebensrealitäten, die nicht die eigenen sind, die eigene Handlungsfähigkeit und -kompetenz sowie die selbststärkende Entscheidungsfähigkeit und Mündigkeit (Katja Kinder, RAA Berlin e.V., 2022). Schließlich fördert die in intersektionalen Kontexten zunehmende Komplexität und Widersprüchlichkeit die Ambiguitätstoleranz und die Fähgikeit des Verlernens, Neulernens und Wiedererlernens (xart Splitta e.V.).
Quellenverzeichnis
Bordo Benavides, O. (2022). Politische Bildung intersektional. In: Fachbereich Politische Bildung und plurale Demokratie (Hrsg.), Politische Bildung intersektional (S. 6). Bundeszentrale für politische Bildung.
Can, Halil, zit. nach Schrader, L. (2025). Präsentation „POWERSHARING. Workshop für LAG poKuBi Sachsen e. V.“
Gladt e.V. (2022). Politische Bildung intersektional. In Fachbereich Politische Bildung und plurale Demokratie (Hrsg.), Politische Bildung intersektional (S. 8). Bundeszentrale für politische Bildung.
Kotan, M. (2024). Präsentation „Intersektionalität. Ein Input von Mavi Kotan im Rahmen der Bildungswerkstatt Intersektionalität im Fokus der (Bildungs-)Praxis“.
MEGA – Netzwerk für Asiatische-Deutsche Perspektiven e.V. (2022). Politische Bildung intersektional. In Fachbereich Politische Bildung und plurale Demokratie (Hrsg.), Politische Bildung intersektional (S. 9). Bundeszentrale für politische Bildung.
Piesche, P., Schmidt, F., Rajanayagam, I., & Etzel, M. (2022). Politische Bildung intersektional. In Fachbereich Politische Bildung und plurale Demokratie (Hrsg.), Politische Bildung intersektional (S. 1–3). Bundeszentrale für politische Bildung.
Schrader, L. (2022). Politische Bildung intersektional. In Fachbereich Politische Bildung und plurale Demokratie (Hrsg.), Politische Bildung intersektional (S. 7). Bundeszentrale für politische Bildung.
Tanyılmaz, T., Grewe, E., & Torlak, B. (2022). Politische Bildung intersektional. In Fachbereich Politische Bildung und plurale Demokratie (Hrsg.), Politische Bildung intersektional (S. 5). Bundeszentrale für politische Bildung.
xart Splitta e.V. (2022). Politische Bildung intersektional. In Fachbereich Politische Bildung und plurale Demokratie (Hrsg.), Politische Bildung intersektional (S. 4). Bundeszentrale für politische Bildung.